Summary
Eine fundamentale Eigenschaft des Gehirns ist die Fähigkeit, neue Innformationen zu erwerben und zu speichern, um es Individuen zu ermöglichen, sich an ihre verändernde Umwelt anzupassen. Lernen und Gedächtnis werden von der Fähigkeit der Nervenzellen vermittelt, die Effizienz ihrer Kommunikationsstellen, der Synapsen, zu verändern. Diese plastischen Veränderungen hängen von der korrelierten neuronalen Aktivität kommunizierender Nervenzellen ab und beinhalten sowohl Langzeitpotenzierung (LTP) als auch Langzeitdepression (LTD) der synaptischen Transmission. Synaptische Plastizität wurde erstmals für glutamatergen Synapsen in Netzwerken exzitatorischer Prinzipalzellen erstmals vorgeschlagen und im Anschluss auch nachgewiesen (Hebb, 1949; Bliss & Lomo, 1973). Seitdem wurde synaptische Plastizität kontinuierlich in exzitatorischen Netzwerken nachgewiesen und gilt heute als zentraler neuronaler Mechanismus, der Gedächtnsbildung im Zentralnervensystem (Malenka, 2003; Feldman & Brecht, 2005). Im Gegensatz dazu wurde die synaptische Plastizität in GABAergen inhibitorischen Interneuronen (INs) lange Zeit kontrovers diskutiert und ihr Beitrag zu höheren Gehirnfunktionen blieb lange Zeit spekulativ (McBain, et al., 1999). Jüngst haben zahlreiche Untersuchungen jedoch gezeigt, dass synaptische Plastizität an glutamatergen Eingängen GABAerger INs auftritt (Isaac et al., 2007; Kullmann & Lamsa, 2007; Lange et al., 2012; Topolnik, 2012). Zudem wiesen diese Untersuchungen eine große Vielfalt der Bedingungen und Formen synaptischer Plastizität in diesen Neuronen nach (Kullmann & Lamsa, 2011). Diese Befunde führten zu der Hypothese, dass Plastizität in INs in einer vielfältigen, zelltyp- und synapsenspezifischen Weise zur Informationsverarbeitung beitragen könnte. Sie ließen weiterhin vermuten, dass Änderungen in der IN Plastizität weitreichende Auswirkungen auf neuronale Netzwerkfunktionen würden und somit schweren Gehirnerkrankungen zu Grunde liegen könnten. Aus diesem Grund möchten wir in der Forschergruppe die Bedeutung der IN Plastizität für Lernen und Gedächtnis in einem dualen Ansatz entschlüsseln. Erstens möchten wir in einem ‚bottom-up’-Ansatz die zellulären und molekularen Mechanismen der synaptischen Plastizität in GABAergen Zellen identifizieren. Zweitens beabsichtigen wir in einem ‚top-down’-Ansatz das Verhältnis zwischen IN Plastizität, Netzwerkaktivität, Lernen und gedächtnisrelevantem Verhalten zu ermitteln. Um unser Ziel zu erreichen, werden wir einem interdisziplinären Ansatz folgen, der in vivo und in vitro Elektrophysiologie, Neuroanatomie, bildgebende Verfahren, molekulare Biologie, Optogenetik, Verhaltensuntersuchungen und rechnergesteuerte Analysen in einer gemeinsamen, integrativen und kausalen Weise kombiniert.